Ein halbes Jahr nach Abschluss ihres berufsbegleitenden Studiums stand Leatitia vor einem grossen Fragezeichen: Wie weiter? Was möchte ich privat und beruflich erreichen? Das Suchen nach Antworten gab ihr Mut, sich auf eine Selbstfindungsreise zu begeben. Sie kündigte ihre Stelle, buchte ein One-Way-Flug nach Zentralamerika und los ging das Abenteuer.
Ich hatte es also gewagt und gekündigt, ohne den nächsten Schritt zu kennen. Ich brauchte Luft um zu atmen und mir bewusst zu werden, was ich eigentlich vom Leben wollte. Die kritischen Stimmen liessen nicht lange auf sich warten: „Bist du dir sicher, dass du kündigen willst, ohne eine Anschlusslösung zu haben?“ „Der Markt ist ziemlich ausgetrocknet und es wird nicht einfach sein, eine neue Stelle in deinem Bereich zu finden.“ Danke Leute für die netten Hinweise. Aber nein, die haben mich bis anhin im Leben nicht weitergebracht. Glücklicherweise waren da noch die anderen aufbauenden Stimmen, die mir zu meiner Entscheidung gratulierten und meinen Mut mit mir feierten. Ich sei schliesslich nur einmal jung und wenn ich es nicht jetzt wage, wann dann? Diese Worte zu hören, waren wie Balsam für meine Seele!
Gefühlschaos
Da stand ich nun, ohne Plan und ziemlich glücklich darüber. Zum ersten Mal in meinem Leben buchte ich einen One-Way-Flug. Zieldestination: Costa Rica. Ich fühlte mich frei, glücklich und grenzenlos. Aber wir Schweizer neigen dazu, uns Grenzen zu setzen, wo keine sind. Der Tiefflug und die Angst liessen deshalb nicht lange auf sich warten. Mein Pflichtbewusstsein trichterte mir ein, dass ich nach einer beruflichen Anschlusslösung suchen und auf eine längere Reise verzichten sollte. Ansonsten würde ich in der Sommerflaute zurückkommen und es schwer haben, einen Job zu finden.
„Stopp!“ befahl ich meinen Gedanken im Kopf. Dieses Mal würde es anders laufen. Ich wollte eine Veränderung und frei sein, deshalb hatte ich gekündigt. Und ich wollte eine Auszeit haben, in der ich Energie für eine neue Herausforderung sammeln konnte. Zwei Monate Reisen – so viel Zeit musste ich mir deshalb mindestens erlauben. Was für ein Glückspilz war ich, dass ich eine Anschlusslösung fand, bevor ich meine 2-monatige Reise antrat. Entspannt, wie schon lange nicht mehr, stieg ich in den Flieger. Bereit für mein Abenteuer. Bereit die Schweiz hinter mir zu lassen.
Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens
Über 4 Jahre schlummerte in mir der Drang, noch einmal eine längere Reise zu unternehmen. Und endlich konnte ich mir meinen Traum erfüllen. In den zwei Monaten reiste ich von Costa Rica nach Panama und segelte die San Blas Inseln bis hin nach Kolumbien. Das südamerikanische Land war der krönende Abschluss meines Time Outs. Ich lernte viele nette und wenig weniger nette Menschen kennen, erlebte neue Kulturen und lernte, in einer neuen Situation zurechtzukommen. Denn es war das erste Mal, dass ich alleine als Backpacker unterwegs war. Im Gegensatz zu vielen Alleinreisenden, schwärme ich nicht ausnahmslos von dieser Reise-Art. Es gibt viele Punkte, die für das alleine Reisen sprechen und die ich auch sofort unterschreiben würde. Trotzdem gibt es während einer Reise neben den Höhen auch Tiefen. Schliesslich habe ich mich während dieser Zeit selbst gesucht und da wäre es falsch, zu sagen, dass ich durchgehend glücklich war.
Es gab Zeiten, da fühlte ich mich einsam. Da wünschte ich mir, dass meine Nächsten hier wären, um mit ihnen meine Erlebnisse und Gefühle teilen zu können. Ich erlebte so viel mit immer wieder neuen Bekanntschaften. Aber nach drei bis vier Tagen kam der Abschied und die Wege trennten sich wieder – wahrscheinlich für immer. Alleine zu reisen braucht Mut. Aber auch wenn es nicht immer leicht ist, gibt es keine besser Art und Weise, um sich mit sich selber auseinanderzusetzen. Die positiven Gefühle überwiegten bei mir deshalb definitiv und ich bin froh, habe ich mich auf dieses Abenteuer eingelassen.
Als Frau alleine Reisen
In allen drei Lateinamerikanischen Ländern war ich erstaunt, wie viele Reisende und lokale Menschen überrascht waren, als sie erfuhren, dass ich als Frau ohne Begleitung reiste. Mittlerweile müssten sich die Menschen das doch gewohnt sein? Anscheinend nicht. Die Sicherheit war ein ständiges Thema für die Leute vor Ort aber auch für mein Umfeld zu Hause. Ob ich denn keine Angst hätte, mich alleine rumzutreiben und vor allem Kolumbien sei doch so gefährlich. Hier deshalb 3 Gründe, weshalb es nichts Aussergewöhnliches und sonderlich Gefährliches ist, als Frau alleine zu reisen:
1. Als Alleinreisende ist man nie alleine unterwegs, wenn man das nicht möchte.
2. Ja, ich hatte teilweise Respekt und Angst vor komischen Männern und in der Dunkelheit in mein Hostel zurück zu laufen, aber sind wir ehrlich; haben wir Frauen das nicht überall ein bisschen? Es reicht, wenn man gewisse Regeln befolgt und dann ist auch Latein- und Südamerika für eine Frau ähnlich sicher wie Europa.
3. In der Backpacker-Welt herrscht eine unheimliche Solidarität zwischen Reisenden. Ist eine Gruppe abends unterwegs und möchte von 10 Personen nur eine Frau zurück ins Hostel, begleitet sie in der Regel mindestens ein Mann, wenn nicht sogar die ganze Gruppe.
Lessons learned
Alleine auf Reisen sein bedeutet Loslassen und Abschied nehmen. Ich musste mich während diesen zwei Monaten von Dutzenden von liebgewonnen Menschen verabschieden, von Orten, an denen ich mich so wohl fühlte, wie schon lange nicht mehr und von eingefleischten Gewohnheiten.
The art of travel is to deviate from one’s plans. – Conner Layne, The Art of Travel
Wenn ich eines gelernt habe, dann dass man beim Reisen im Voraus gar keine Pläne mehr schmieden sollte. Je flexibler man vor Ort ist, desto mehr erlebt man und desto eher kann man sich einer Person oder Gruppe anschliessen und mit interessanten Personen mitreisen. Wenn ich ausserdem noch einen Tipp geben soll: Langgehegte Wünsche und Träume sollten nicht zu lange aufgeschoben werden. Auch wenn man dafür aus seiner Komfortzone ausbrechen muss. Wir sind für unser Glück selbst verantwortlich. Damit wir längerfristig glücklich und zufrieden sein können, müssen wir ab und zu aus unserer kleinen Welt entfliehen. Zurück also zu meiner ursprünglichen Frage: Was ich beruflich und privat im Leben erreichen möchte? Ich möchte einfach nur zufrieden sein und auf ein Leben zurückblicken können, das ausgefüllt war mit gemeisterten Herausforderungen. Meine Reise hat definitiv zu diesem Ziel beigetragen.
Fotos: www.guerrillagallivanter.com